Die Finnen und Frontalunterricht

Ich möchte eine interessante These diskutieren. Sie sagt, dass die guten Ergebnisse von Finnland bei der ersten PISA-Studie vornehmlich aus Frontalunterricht stammen (siehe z. B. hier: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bildungswesen-frontalunterricht-macht-klug-11994686.html. Bezeichnenderweise werden hier ohne Hinterfragen gute Testergebnisse mit Klugsein assoziiert.). Es zeigt sich angeblich, dass die Leistungen der Schüler bei Frontalunterricht besser sind. Nun ja, diese Leistungen (also bessere Noten/Testergebnisse) sind aber eben nicht das Zeichen für bessere Bildung. Nur dafür, dass der Lernstoff, der geprüft wurde, offenbar klarer umrissen und dadurch besser eingepaukt werden konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass Frontalunterricht es den „Lernenden“ eben besonders gut erlaubt, gezielt auswendig zu lernen, „auszukotzen“ (und letztlich wieder zu vergessen) – also dass er das Bulimielernen besonders gut möglich macht.

Dummerweise zieht man aus solchen Studien die falschen Schlüsse – „Spaß haben“ und „hohe Leistungen bringen“ würden sich widersprechen – und die guten alten Zeiten der autoritären Lehrer im hierarchischen System werden gepriesen (siehe http://www.epochtimes.de/wissen/irrtum-pisa-ergebnisse-finnlands-sieg-basierte-auf-strenge-a1254792.html). Das heutige finnische Schulsystem, das auf freieres Lernen und weniger autoritäre Lehrer baut, erreicht nicht mehr dieselben „guten“ Ergebnisse bei PISA und wird deshalb als ineffizienter angesehen.

Warum scheint freieres Lernen ineffizienter? Ich habe dazu zwei Theorien.

Zum einen denke ich, dass es an der Messung liegt. Vielleicht können die Schüler weniger „Stoff“ in Prüfungen akkurat wiedergeben, wissen aber besser, wo und wie sie Antworten finden können bzw. sind sozialkompetenter. Wie will man das vernünftig messen?

Eine andere Theorie scheint mir auch wahrscheinlich.

Vor kurzem hörte ich einen Radiobeitrag, in dem behauptet wurde, dass selbstbestimmtes Lernen nicht funktionieren würde. Ich selbst habe auch schon beobachtet, dass man in „klassischen/normalen“, aber auch in freien/Reform-Schulen behauptet, dass die Schüler dort „selbstbestimmt“ lernen würden, sich dies aber schwierig gestaltet. Das Problem ist in meinen Augen schlichtweg, dass die Themen vorgegeben werden. Man sagt zwar „Mach, wie Du möchtest.“ gleichzeitig aber auch „Mach, was wir sagen.“. Das kann nicht funktionieren. Und ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass das die Kinder noch mehr überfordert als schlichter Frontalunterricht und dass dabei tatsächlich auch mehr Schüler auf der Strecke bleiben.

Nicht falsch verstehen. Das soll nicht heißen, dass ich Frontalunterricht gut heiße. Ich glaube, dass in der Pädagogik durchaus erkannt wurde, dass freies Lernen das bessere Lernen ist, aber man versucht dieses in ein System zu integrieren, dass dafür nicht bereit ist, weil die Kinder darin immer fremdbestimmt sind (schon allein durch den Lehrplan). Und das sorgt für noch mehr Komplikationen und Irritationen und macht das System letztlich noch ineffizienter als es ohnehin schon ist.

Nicht verschweigen möchte ich aber, dass ich glaube, dass es Situationen und/oder Menschen gibt, für die Frontalunterricht eventuell genau das richtige ist. Die Hauptsache ist, dass Thema und Unterrichtsart von den Lernenden völlig frei gewählt wurden und jederzeit auch wieder verlassen werden können.

Sprich: Selbstbestimmtes Lernen kann in unserem Schulsystem nicht funktionieren bzw. das, was im Moment unter diesem „Label“ in unseren Schulen läuft, ist eben kein selbstbestimmtes Lernen.

Angela

Ceterum censeo coactam educationem esse delendam!

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