Ich wurde gefragt, was denn die Alternative zur Schule sein soll.
Nun, da muss man zunächst mal überlegen, ob Schule überhaupt eine Alternative braucht. Tut Schule überhaupt das, was sie verspricht zu tun? Ist sie damit erfolgreich? Das möchte ich nicht jetzt und hier beantworten, sondern erst im Laufe der Zeit diskutieren. Aber, falls nicht, wieso dann eine Alternative? Wieso nicht lieber Schule alternativlos abschaffen?
Für mich klingt die Frage nach einer Alternative für Schule, wenn ich als Stillberaterin mal diesen Vergleich ziehen darf, wie die Frage nach einer Alternative für die Baby-Ersatznahrung. Es gibt die Muttermilch, die einzige von der Natur vorgesehene Babyernährung. Und es gibt Ersatzmilch – die eben nur ein niemals die Qualität von Muttermilch erreichender Ersatz ist. Nicht mehr und nicht weniger. Schule ist wie diese Ersatzmilch. Sie ist ein mehr als schlechter Ersatz für das natürliche Lernen.
Meine Überzeugung ist: Wir brauchen weder eine Alternative zur Ersatzmilch noch zur Schule, denn es gibt jeweils die Originale. Im Idealfall könnten wir beides einfach auf den Müll der Geschichte werfen.
Nun leben wir in keiner idealen Gesellschaft. So wie es Frauen gibt, die nicht stillen wollen oder können, gibt es Familien, die ihre Kinder nicht beim Lernen begleiten können (oder wollen), weil sie arbeiten. Daher gibt es Ersatzmilch, daher gibt es in meinen Augen vor allem die Schule.
Aber warum sollen wir uns mit dem Ersatz zufrieden geben?
O.K. – der Vergleich hinkt an dieser Stelle ein kleines bisschen, weil es tatsächlich einen ganz geringen Prozentsatz von Frauen gibt, die nicht stillen können. Im Idealfall könnten diese paar Frauen aber ihre Kinder z. B. mit Spendenmilch füttern und die Babys würden so auch in den Genuss des Originals kommen.
Vergleichen kann man Schule und Ersatzmilch trotzdem, z. B. wird beides völlig unbegründet von der Gesellschaft bevorzugt. Schule wird geradezu für ein Naturgesetz gehalten. Es wird behauptet, dass nur dort gelernt werden kann und dass die Kinder ohne Schule nichts lernen würden. Ersatzmilch wird als der Muttermilch mindestens gleichwertig angesehen. Beides wird von der Mehrheit der Menschen überhaupt nicht mehr hinterfragt, obwohl es genügend begründete Kritik gibt.
Aber Schulen müssen nicht sein. Kinder lernen frei am besten und nachhaltigsten. Das muss wieder in unser Bewusstsein rücken. Freies Lernen ist das Original! Die Fähigkeit dazu wird uns von der Natur mitgegeben. Was es ja durchaus geben kann, sind familiäre Lernorte, an denen Kinder auf Wunsch der Eltern oder auf eigenen Wunsch gut und sicher aufgehoben sind, an denen sie aber ebenso wie auch sonst im Leben, völlig frei entscheiden können, womit sie sich beschäftigen. Ohne Lehrplan, ohne Druck, ohne Bewertung, ohne Be-/Verurteilung, ohne Anleitung bzw. nur auf ihren Wunsch mit Anleitung. Diese Orte können eine Möglichkeit sein, in unserer Gesellschaft Kindern Lernangebote zu machen, weil Familien das nun mal meist nicht mehr ganz allein leisten können. Und weil natürlich auch keine Familie alles Wissen auf einmal anbieten kann. Wohlgemerkt – anbieten, nicht ins Kind hineinzwingen. Die Entscheidung, das Angebot anzunehmen, muss allein beim Kind liegen
Diese Orte sind keine Alternative zur Schule. Alles, was Schule ausmacht – Disziplinierung, Bewertung jeder Art, Homogenisierung, Selektion, Zwang zu bestimmten Themen oder Handlungen bzw. an einem bestimmten Ort über eine bestimmte Zeit zu sein, Über- oder Unterforderung, Mobbing, Lehrer- und Schülergewalt und mehr – gibt es an diesen Orten nicht. Konflikte gibt es sicher auch, die gehören zum Leben. Aber die Kinder sind dort nicht angebunden an ein hierarchisches Zwangsverhältnis, denn sie haben das außerordentlich wichtige Recht, jederzeit gehen zu können (im Zweifelsfall – bei jungen Kindern – sich abholen zu lassen und/oder nicht mehr wiederzukommen). Sie müssen sich nichts gefallen lassen. Sie können wirklich frei wählen.
Angela
Ceterum censeo coactam educationem esse delendam!